Seesterne

 

 

…Gefühlschaos in Ungarn…

 

Wir sind seit Jahren im Tierschutz aktiv und haben so schon manches erlebt und gesehen… z.B. Spanien, wo jedes Jahr alleine 30.000 gesunde Galgos eingeschläfert werden, da für sie selbst in Tierheimen kein Platz mehr ist… Hunde die in Erdlöchern verscharrt wurden oder an Bäumen erhängt… Vierbeiner, denen vorm Aussetzen die Beine gebrochen wurden, damit sie einem nicht mehr folgen können… Bilder, die einen wochenlang nicht los lassen… die einem vor Wut auf unsere Mitmenschen die Adern zum pochen bringen und die Hände in den Taschen zu Fäusten ballen lassen… Bilder, die einem vor Trauer und Mitleid die Tränen in die Augen treiben… aber auch Bilder von geretteten Vierbeinern, die einem wie ein Rausch von Glück begleiten…

…und von einem solchem Gefühlschaos in Ungarn möchten wir berichten. Vielleicht wecken wir so ein wenig Verständnis für den Tierschutz im Ausland oder ermöglichen noch unbekannte Einblicke. Also nehmen Sie sich einfach ein wenig Zeit…

 

Vorab einige Erläuterungen zur Situation in Ungarn

Zur Zeit leben ca. 10 Millionen Menschen in Ungarn und 2 Millionen Hunde (Deutschland 80Mill. Einwohner und 5Mill. Hunde). Von diesen ungarischen Vierbeinern sind ca. 600.000 Straßenhunde (gibt sogar extra Verkehrsschilder die ähnlich wie bei uns vor Wildwechsel, dort vor Streunern auf Straßen warnen), die ohne ein Zuhause umherirren auf der Suche nach Unterschlupf und etwas Fressbarem.

 

Laut ungarischen Tierschützern steht der Vizsla nach Schäferhund und Rottweiler auf Platz 3 der zu rettenden Hunde in Ungarn.

 

 

Tötungsstation Ungarn

 

 

Ein Großteil der gehaltenen Hunde lebt an Ketten im Hof. Einige dürfen sich frei im Garten bewegen und nur wenige leben als Familienmitglied mit im Haus. Auch wenn sich vieles in Ungarn in den letzten Jahren an westlichen Maßstäben orientiert hat, so ist die Einstellung zum Umgang mit dem Hund nur leicht positiven Veränderungen unterzogen.

Nach Schätzungen gibt um die 80 Dogpounds (=Abdecker/Tötungsstation) und etwa 15 Shelter (=Tierheime, welche meist durch westeuropäische Vereine unterstützt werden). Viele Tierschutzorganisationen (ca 40-50) verfügen nicht über eigene Gelände, sondern beherbergen ihre Schützlinge in Pflegestellen oder Hundepensionen. In Ungarn existiert keine Datenbank mit genauen Zahlen über Dogpounds oder Dogcatcher. Selbst ungarischen Tierschützern sind nicht alle Tötungsstationen zugänglich, geschweige denn die Lage oder Anzahl bekannt. Es gibt Abdecker die um die 300 Hunde verwahren. Von denen die öffentlich zugänglich sind, lässt sich nur katastrophales berichten. Es stinkt nach Verwesung, Kot und Urin… die Zwinger sind kärglich und oft noch nicht mal mit einer Decke ausgestatten… zu fressen (wenn die Hunde überhaupt noch etwas bekommen) gibt es mit Wasser aufgeschüttete Essensreste… und für viele Hunde ist dies die letzte Station in ihrem Leben. Jedes Mal, wenn wieder zu viele Fellnasen dort sind und eine für jeden Hund individuelle Frist von 14 Tagen überschritten ist, dann werden Vierbeiner getötet – angeblich durch die Spritze T61 - wie dies in Wirklichkeit passiert ist unbekannt – man hofft einfach es geschieht durch schmerzloses einschläfern.

 

 

 

Straßenhunde Ungarn

Jeder Ungar ist an sich verpflichtet einen streunenden Hund zu melden, so dass der Hundefänger ihn mit der Drahtschlinge, Betäubungsgewähr oder einem Käfig einfangen kann. Der Job Hundefänger ist ein lukratives Geschäft, da sie pro Hundekopf bezahlt werden d.h. sie erhalten für jeden Hund eine Pauschale, die die „Betreuung“ über die 14Tage Frist sichert. Jedoch haben viele Dogcatcher noch nicht mal ein Gelände wo sie die Hunde verwahren könnten und eine wirkliche Kontrolle über die Anzahl der eingefangenen und anschließend verwahrten Hunde gibt es nicht.

Dogpounds nehmen jederzeit Hunde auf und letztendlich entscheidet der Dogcatcher ob er die Hunde nach der Frist weitervermittelt, an Tierschützer abgibt, an Versuchslabore verkauft oder sie tötet. Möchte man seinen Hund in einem besser geführten Shelter zur Weitervermittlung abgeben (dennoch nicht vergleichbar mit deutschen Tierheimen), dann kommt man auf eine Warteliste, da es in ganz Ungarn nur ca. 6000 Tierheimplätze für Hunde gibt. Jeder kann sich nun ausmahlen was viele Menschen tun, wenn sie ihrem Hund überdrüssig werden…

In Ungarn existiert ein ähnliches Tierschutzgesetz wie in Deutschland, jedoch gibt es keine wirkliche Kontrolle, geschweige denn Strafe bei Missachtung. Zusätzlich werden auch dort Hunde rein rechtlich als Gegenstand betrachtet und an sich müssten Tierschützer eingefangene Hunde ein Jahr verwahren, bevor sie diese weitervermitteln dürfen – für Hunde die vom Dogcatcher gefasst werden, gilt diese Regel natürlich nicht. Er muss sich, wenn überhaupt, nur an die 2 Wochen-Frist halten, um dann eine Entscheidung für oder gegen das Hundeleben zu fällen.

 

Hundefänger

 

 

 

Nur langsam ändert sich der Umgang und die Einstellung zum Hund. Programme zur Aufklärung oder Prävention von Seiten der Regierung gibt es so gut wie keine, wenn dann meistens nur durch aktive Unterstützung westlicher Tierschützer.

 

 

Besuch von Tötungsstationen

Da Aufnahmen in den Dogpounds eher unerwünscht sind, haben wir heimlich gefilmt und photographiert worunter die Qualität ein wenig leiden musste.

 

Video Dogpound 1

 

 

Stellen Sie sich das schlimmste Tierheim in Deutschland vor, selbst das ist ein Paradies im Vergleich zum Abdecker in Ungarn. Schon von weitem ist das Jammern und Bellen der Hunde zu hören… aus Verzweiflung, Schmerz, der Bitte um ein wenig Aufmerksamkeit… Beißender Geruch steigt in die Nase… und jeder winzige Zwinger ist mit mindestens einem Hund belegt… teils können sich die Hunde weder vor Wind, Kälte, Regen oder Sonnenschein schützen… oft haben sie nur den blanken Beton – keine Decke oder Hütte.

 

Futter für die Hunde beim Abdecker

Auslandstierschutz

 

 

Überall Hunde die nicht wissen warum sie hier sind, warum man ihnen dies antut, nicht wissen warum sie hier leben sollen, Hunde die es ertragen müssen von den „Pflegern“ grob angefasst zu werden, keine Zuwendung erhalten auch wenn sie noch so sehr darum betteln.

 

 

Video Dogpound 2

Warum sie so leiden müssen? Weil wir Menschen die wohl größten Monster auf Erden sind. Wir haben diese Wesen erschaffen, sie uns zu den treuesten Begleitern gemacht und sie nach unseren Maßstäben für Schönheit und Charakter geformt. Egal ob diese Merkmale lebenslanges Leiden bedeuten – wir wollen Hunde mit hervorstehenden Augen und kurzen Nasen, auch wenn diese sich so immer wieder entzünden – wir wollen Hunde mit kurzen Beinen und langen Rumpf, auch wenn dies Rückenleiden bedeutet – wir wollen Hunde mit langen Ohren oder hängenden Augenliedern… und wenn uns die Ohren zu lang sind, dann kupieren wir sie einfach…. alles nur weil es für uns einem Ideal entspricht.

Gerade in den Osteuropäischen Ländern werden viele Hunde unter dubiosen Umständen für unseren westlichen Markt gezüchtet und für wenig Geld verkauft. Jeder der sich ein wenig mit der Zucht beschäftigt hat, kann sich ausrechnen, dass man einen Welpen (und die Zuchthündin) nicht für einen Preis von 200€ toll betreut, geschweige denn gut ärztlich versorgt haben kann. Aber warum für einen Rassehund von einem guten Züchter viel Geld ausgeben, wenn ich ihn doch für weit weniger als ein Viertel vom Kaufpreis erwerben kann?! Wie die Elterntiere leben (leiden) oder die Aufzucht der Welpen aussieht hinterfragen dabei die wenigsten – Hauptsache billig. Alles an Überschuss oder was den Anforderungen nicht entspricht wird in Ungarn abgegeben bzw. aussortiert– und landet, zusätzlich zu den eingefangenen Streunern, beim Abdecker.

 

Hunde Tötungsstation

 

 

Selbst Hunde die vorher ein Zuhause hatten landen auf einmal in der Tötungsstation, weil sie einfach nicht mehr erwünscht sind. Sie stehen hinter den Gittern, springen vor Aufregung oder Hospitalismus auf und ab, viele strecken ihre Köpfe durch die Stäbe, um wenigstens für einen kurzen Moment die Nähe einer freundlichen Hand zu spüren, andere sind starr vor Angst oder haben schon längst resigniert.

Hundehaltung

 

 

Viele Bellen und winseln - sie rufen nach Aufmerksamkeit – es klingt wie Hilfeschreie und Verzweiflung. Eine Geräuschkulisse die durch Mark und Bein geht.

 

 

Video Dogpound 3

Wir sehen Hunde denen Gliedmaßen fehlen, welche denen zähflüssiger Eiter aus Nase, Ohren und Augen läuft… Aber keiner von ihnen ist böse – jeder freut sich über unsere Hände, die sie für viel zu kurze Momente spüren – Hände, die einen Hauch von Zuwendung spenden.

Seestern Bericht

 

 

In ihren Zwingern liegt überall Kot, keiner der mit ihnen mal wenigstens für 5 Minuten spazieren geht, damit sie sich lösen können. Nein – sie sitzen 24 Stunden am Tag in diesen Käfigen. Nur wenn die „Pfleger“ kommen und die Anlagen mit einem Wasserstrahl schnell ein wenig säubern, dürfen sie für einen kurzen Moment raus. Aber das auch nur bis vor ihren Zwinger, wo sie dann einfach so lange grob am Genick festgehalten werden – andere Hunde lässt man selbst zur Reinigung in ihren Käfigen verweilen.

 

Welpen die auf dem blanken Beton leben, in der Hoffnung, dass wenigstens sie jemand mit zu sich nach Hause nimmt.

 

 

Welpen Tötungsstation

 

Es gibt Rassehunde und Mixe jeder Richtung – letztendlich alles was das Herz begehrt. Doch was kann der kleine weiße dafür, dass er in Ungarn und nicht in Deutschland geboren ist? Was kann der schwarze dafür, dass er einfach nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht? Was kann der Saluki-Mix dafür, dass er sich vor Angst nicht aus der Hütte traut und ihn so keiner wirklich bemerkt? Der Hundefänger darf sie alle weitervermitteln oder an Tierschützer abgeben, aber viele (besonders ältere) Hunde erhalten nie eine Chance.

Tötungsstationen Ungarn

Es sind schreckliche Bilder und Eindrücke. Verzweiflung macht sich in uns breit. Das Wissen nicht allen helfen zu können, treibt einen Kloß in die Kehle. Es entsteht der Wunsch doch einfach mit dem Finger zu schnippen und alles ist gut. Aber wie so viele Länder, braucht auch Ungarn Zeit um sich zu Wandeln. Zeit, um die Einstellung und dem Umgang mit den Hunden zu ändern. So lange werden wir entsprechend unserer Möglichkeiten den Hunden weiterhin helfen.

 

Dogpound

Es ist der pure Wahnsinn: auf der einen Seite darf man die Augen nicht verschließen, sondern muss aufmerksam machen und versuchen aktiv zu werden – auf der anderen Seite muss man die Augen schließen und sich wegdrehen, denn wir können leider nicht alle retten. Es zerreißt einen innerlich Entscheidungen für oder gegen einen Hund treffen zu müssen. Wir nehmen 2 mit aber 100 bleiben zurück… warum sind Menschen nur so grausam…

Hundeleid

Egal wie sehr wir den besten Freund des Menschen auch entstellen oder quälen, sie bleiben uns treu. Sie lernen (meistens) immer wieder Vertrauen zu fassen und menschliche Hände, die sie einst geschlagen haben, wieder an sich ran zu lassen. Jeder der einen Hund aus dem Tierschutz hat, wird bestätigen können, dass es ein gutes Stück Arbeit ist, sich eine oft so geschundene Kreatur als Begleiter ins Haus zu holen. Es kostet viel Zeit und Geduld, doch die Treue des Tieres und das Strahlen der Hundeaugen erfüllen einem mit unbeschreiblichem Glück. Tiere aus dem Tierschutz sind einfach unendlich dankbar.

Wir werden weiter helfen… Hunde aus Tötungsstationen retten, Pflegestelle sein, Geld spenden, Transporte fahren, Futter spenden, Mitmenschen aufklären… es gibt so viele Möglichkeiten und ein glücklicher Hundeblick sagt mehr als 1000 Worte.

 

Es gibt eine schöne kleine Geschichte von einem alten Mann, der bei Sonnenuntergang den Strandentlang ging…

Dort sah er vor sich einen jungen Mann, der Seesterne aufhob und sie zurück ins Meer warf.

Nachdem er ihn schließlich eingeholt hatte, fragte er ihn, warum er das denn tue.
Die Antwort war, dass die gestrandeten Seesterne sterben würden, wenn sie bis Sonnenaufgang hier liegen bleiben.
„ Aber der Strand ist viele, viele Kilometer lang und es sind tausende Seesterne die hier liegen “, erwiderte der Alte. „ Was macht es also für einen Unterschied wenn du dich so abmühst ? “
Der junge Mann blickte auf den Seestern in seiner Hand und warf ihn in die rettenden Wellen. Dann meinte er:

„ Für diesen hier macht es einen Unterschied ! “

 

Vizsla Ungarn Tötung

Wir werden weiterhin versuchen, so viele Seesterne wie uns möglich, zurück ins Wasser zu werfen, um wenigstens einigen ein besseres Leben ermöglichen…

… aber unsere Gedanken sind auch immer bei all den anderen Hunden, dem kleinen weißen oder dem kranken Bernhardiner… hoffend, dass jemand kommt, sie aufhebt und zurück ins Wasser wirft.

 

 

Simone Schenk

Zuhause gesucht!

  

 

Deutscher Tierschutzbund
ETN

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